Durch den regelmäßigen Schneefall mit frostigen Nächten habe ich viele der frühen Saaten gar nicht oder wenig und spät ausgesät. Eine Reihe Stilmus ersetzte den Feldsalat aus dem letzten Spätherbst. Ein paar im Haus gezogene Spinatpflanzen landeten missmutig im Frühbeet. Nicht dass ich große Hoffnung in die Spinatpflänzchen gesetzt hatte, aber im Haus brauchte ich den Platz für die Tomaten.
Irgendwie ließ sich dann in den letzten Wochen doch immer gerade genug Salat für ein Abendessen pflücken: Der Sauerampfer hat ein eigenes Beet und verwildert zusätzlich zwischen den Obstbüschen. Der/die/das Postelein* hat sich selbst ausgesät. Der Asiasalat hat den Winter überlebt. Der Mangold ist trotz des lausigen Wetters in die Höhe geschossen. Der vorgezogene Kopfsalat ist mittlerweile groß genug, dass sich einzelne Blätter zupfen lassen. Darüber ist der Spinat in Vergessenheit geraten.
Bei der heutigen Abendbrotsalaternte entdecke ich nicht nur die ersten Knospen des Stielmus, nein auch Sauerampfer und Spinat bilden Blütenknospen. Ich pflücke einen Großteil der drei Spinatpflanzen in die Salatschüssel und denke, dass es Zeit für eine weitere, neu von mir erfundene Bauernregel ist:
Blühen Sauerampfer und der Mus
Die Tomate in den Garten ziehen muuß


Bauernregeln haben ja oft etwas eher Holpriges. Das soll nicht heißen, Bauern wären schlechte Dichter. Aber wenn es eben der Stilmus ist, der blüht, kann er im Reim nicht durch eine Pflanze ersetzt werden, die besser ins Versmaß passt. Es ist im Gegenteil also eine echte literarische Leistung die vorhandenen Pflanzen und die dazugehörige Aufgabe so lange zu drehen und zu wenden, bis ein irgendwie verwendbarer Reim dabei herauskommt. Außerdem, so finde ich wenigstens, sorgt gerade die Holprigkeit dafür, dass sich die dahinterliegende Idee gut merken lässt.
Während ich also den Eindruck hatte, dass es in diesem Jahr gar keinen Frühling gab, zeigen mir die Frühlingssalate Stielmus, Sauerampfer und Spinat, dass nun sehr wohl die Zeit für die Blüte nach dem frühlingshaften Wachstum ist. Was können die Pflanzen dafür, dass ich frierender Mensch fast das gesamte Frühjahr vor dem Kamin verbracht habe?
* Im Duden gibt es das Wort nicht. Aber „Das Tellerkraut“ klingt längst nicht so romantisch wie Postelein.