Der Brennnessel wird viel Gutes nachgesagt. Nicht nur als Garten- und Heilpflanze, sondern auch als wohlschmeckendes Gemüse. Wenn ich die Rezepte lese, dann ist keine Lobpreisung hoch genug. Aber müsste dieses Wundergemüse, das fantastische Gaumenfreuden hervorzaubert, das gleichzeitig mineral- und vitaminreich, superlecker und gesund ist, nicht längst sämtliche Burger-Buden und Pommes-Bratereien davongefegt haben? Wie schmeckt Brennnesselgemüse also wirklich?
Vor der Eibenhecke breitet sich ein sonnendurchwirktes Gewusel aus Schwarzer Johannisbeere und Brennnesseln aus. Bei einem flüchtigen Blick hat es den Anschein, dass meine Brennnesseln nicht nur Blätter und „Stacheln“ haben, sondern auch Beeren. Wenn ich diese Beeren ernten möchte, dann muss ich einen Weg finden, dieses Gewusel aufzulösen.

Mit einem Teil davon werde ich daher einen Selbstversuch starten: Brennnesselspinat. Also eigentlich meine ich natürlich Brennnesselgemüse. Es wird fast immer von Brennnessel-„Spinat“ gesprochen. Die Brennnessel mag ja magisch und kraftvoll sein, aber zaubern kann sie dann doch nicht. Sie bleibt eine Brennnessel, ganz egal, wie ich sie zubereite. Brennnesseln und Spinat sind zwei verschiedene Pflanzen, die sich ähnlich zubereiten lassen. Wer mag, kann auch Giersch und Mangold noch in den Vergleich mit aufnehmen und kommt dann mit viererlei Blattgemüsen durch das Jahr.
Ich schneide zahlreiche Stängel Brennnessel und schnippele die Blätter gleich in eine große Kiste. In den meisten Rezepten für Brennnesselgemüse ist leichtfertig von „nur die oberen Blätter pflücken“ die Rede. Wenn man das umsetzen will, sollte man die Brennnessel gezielt anbauen. Ein paar Dutzend Stängel reichen dafür bei weitem nicht. Als Mulch oder Dünger für die Tomatenpflanzen würde ich auch Brennnesseln im Wald oder am Straßenrand schneiden. Beim Gemüse möchte sicher sein, dass ich nicht mehr Schwermetalle aus Autoabgasen als Vitamine esse. Schließlich rode ich die Hälfte meiner Brennnesseln, verwende alle Blätter und komme nach Sortieren und Waschen gerade einmal auf 150 Gramm Brennnessel.
Um einen Vergleich zum echten Spinat zu haben, bereite ich die Brennnesselblätter genauso zu, wie Spinat. Zwiebeln andünsten, Spinat/Brennnessel dazugeben, ganz wenig Wasser, etwas Gemüsebrühe, köcheln. Ist es genug gegart? Vielleicht doch etwas Sahne dazu? Ein Kartoffelgratin als Gemüsebegleitung wartet schon im Backofen. Wie wird es nun schmecken, mein erstes Brennnesselgemüse?
Doch plötzlich breitet sich in der Küche der Duft von alten Socken aus. Das soll mein wunderbares Wildgemüse sein? Puh… Es erinnert mich an Grünen Tee, der für manche ein Wundermittel ist und für viele eine Zumutung. Aber da muss ich jetzt durch. Ich lasse die Brennnesselblätter weiter auf kleiner Stufe köcheln.
Im Vergleich zu Spinat zerfallen die Blätter viel weniger, sind aber nicht so störrisch wie Giersch. Nach etwa 10 Minuten ist mein Brennnesselgemüse fertig. Ich bin überrascht, dass es besser schmeckt, als es riecht. Es hat wirklich etwas ganz ungewohnt Aromatisches. Dennoch, wenn ich zwischen Brennnessel und Giersch wählen kann, entscheide ich mich ganz eindeutig für den Giersch. Er lässt sich einfacher sammeln und vorbereiten. Das gekochte Gemüse schmeckt nach einer Kombination aus Petersilie, Karotten und Spinat.

Bei einigen der in Vergessenheit geratenen Traditionen, liegt das Vergessen eindeutig nicht an der bunten Werbung für Tiefkühlgerichte, sondern daran, dass die Not vorbei ist, auf Feld und Flur nach Essbarem zu suchen.
Deine Erfahrungen sind sehr interessant und die Beschreibung des Geschmackes nachvollziehbar. Toll!
Ich habe heute auch etwas über die Brennessel erfahren, worüber ich demnächst schreiben werde.
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Danke! Ja, die Brennnessel ist eine sehr vielseitige Pflanze. Ich mag auch noch mehr dazu schreiben – aber es sind so viele Gedanken, dass ich sie noch nicht unter einen Hut bekomme. Vielleicht werden es stattdessen mehrere kleine Beiträge. Ich finde die Homepage von Mechtilde Frintrup beeindruckend. Ich überlege das Buch von ihr zu kaufen.
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Die Seite von Mechthilde Frintrup ist beeindruckend (so wie deine auch).
Wolle aus Brennesselfasern zu machen klingt sehr interessant und archaisch. Was es doch für viele Möglichkeiten gibt!
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