Es ist ein tomatenreicher Sommer. Auch ohne Gewächshaus ist es eine dauerhafte Ernte. Zusätzlich zu den großen Fleischtomaten habe ich einige Pflanzen Ruthje (Cocktailtomate) und Sibirisches Birnchen (Buschtomate). Egal wann ich in den Garten gehe, an einer der Pflanzen gibt es immer etwas zu ernten. Aber auch die sonst so oft divenhaften Fleischtomaten fruchten gut.
Jetzt ist die Zeit gekommen, die Werbebotschaften von zartschmelzend bis ertragreich mit den tatsächlichen Ergebnissen zu vergleichen.
Rose de Berne – Aromatisch und gar keine Hochstaplerin!Eine Tomate, so besonders wie eine Rose. Eine Tomaten-Rose aus der verschneiten Schweiz. Welch Wunderding muss das sein. So dachte ich, als ich den Namen zum ersten Mal las. Nach und nach enthüllte sich, dass es nicht um die Blume Rose, sondern um die Farbe Rosa geht. Also eine roséfarbene Tomate.
Beschreibung:
Besonders breite, riesige Pflanze.
Eher geringer Ertrag. Anfällig für Blütenendfäule.
Später Erntebeginn. Dünne Haut. Platzanfällig. Rosarote Früchte. Aber ein hervorragender Geschmack.
So ist sie geworden:
Die Pflanzen sind von Höhe und Breite im Durchschnitt der Stabtomaten.
Nach den ersten Wochen im Freiland war sie eher zierlich mit sehr hellen Blättern. In meinem Garten neigen fast alle Tomatensorten zu Blütenendfäule. Mit Dünger und reichlich Kalzium habe ich die Pflanzen aufgepäppelt.
Die Ernte ist tatsächlich eher spät, aber durchaus reichlich. Die Haut ist dünn und rosa und platzt leicht. Der Geschmack ist wirklich hervorragend.
Fazit: Von meinen fünf Fleischtomaten ist sie die einzige, die an den süßen und fruchtigen Geschmack der Cocktailtomate Ruthje herankommt.
Marmande – Die Retterin der Bauern in der Reblaus-Krise anno 1863Seit ziemlich genau 1863 wächst sie in der französischen Region Nouvelle-Aquitaine. Ganz grob ist das auf der französischen Landkarte unten links. Die bekannteste Stadt ist Bordeaux. Im genannten Jahr 1863 wurde aus den U.S.A. kommend die Reblaus in diese Region eingeschleppt und die Winzer verloren große Teile ihrer Weinstöcke. Auf der Suche nach einer Alternative entschieden sich die Winzer für den Anbau von Tomaten.
Beschreibung:
Die nach der Stadt Marmande benannte Tomate wird in allen Quellen als ertragreich beschrieben. Die Angaben zur Höhe schwanken zwischen niedrig (1,3 Meter) und normal (2 Meter).
Für das Gewächshaus und die geschützte Kultur geeignet. Flachrunde Früchte.
Anfällig für Blütenendfäule oder auch freilandtauglich.
So ist sie geworden:
Anfangs so zierlich und blass wie Rose de Berne wurde sie kräftig und dunkelgrün.
Die Pflanze bleibt tatsächlich kleiner als andere Stabtomaten.
Ich ernte nicht mehr als bei den anderen Fleischtomaten.
Fazit: Die Bauern mag sie gerettet haben. Bei mir wächst sie nur mühsam. Die Früchte sind durchaus lecker, aber keiner Weise besonders.
Ochsenherztomate – Nur echt, wenn sie herzförmig istGerade weil der Name so berühmt ist, sprießen neuerdings die Ochsenherzen aus jedem Saatgutkatalog und selbst aus den Gemüseauslagen im Supermarkt. Das originale Ochsenherz hat eine sehr weiche Haut, ist also für den Handel völlig ungeeignet. Außerdem ist es wirklich herzförmig und nicht birnenförmig. Letzteres ist der entscheidende Unterschied, zwischen echten Ochsenherztomaten und modernen Nachbildungen à la Ochsenherz-Corazon F1.
Beschreibung & So ist sie geworden:
Ich brauche gar nicht aufteilen. Die Ochsenherztomate ist genau so geworden wie beschrieben.
Bis 2 Meter hoch. Welk wirkende, nach unten hängende und gedrehte Blätter.
Früchte rosa bis rot, herzförmig, gerippt und eine dünne, weiche Schale.
Festes Fruchtfleisch. Wenig Saft und Kerne.
Ernte bereits ab Ende Juli.
Fazit: Ochsenherz und Rose de Berne sind die aromatischsten meiner fünf Fleischtomaten.
Brandywine – Eine rote oder pinke Fleischtomate mit nebulöser HerkunftDie Herkunft ist wahlweise unklar oder schon ab 1885 in Saatgutkatalogen nachgewiesen. Es gibt eine „echte“ Brandywine. Und eine rote. Und eine pinke. Vielleicht sind die Rote und die Pinke identisch. Der Name Brandywine bezieht sich auf das Flüsschen Brandywine Creek an der Ostküste der USA.
Beschreibung:
Die Früchte sind bis zu 300 Gramm schwer. ODER Die Tomaten sind so groß wie Hamburgerscheiben. ODER Die Tomaten sind bis zu 700 Gramm schwer.
Die echte Brandywine ist ertragreich und widerstandsfähig.
So ist sie geworden:
Ich habe eine „echte Brandywine“. Die Früchte sind rosafarben und die Blätter kartoffelblättrig.
Die Früchte sind groß und zerfurcht. Sie werden bei mir „nur“ 200 Gramm schwer. Aber die Beschreibung „so groß wie Hamburgerscheiben“ passt.
Fazit: Es sind in meiner Auswahl die größten Tomaten. Die Früchte sind durchaus lecker, aber nicht einzigartig.
Tschernij Prinz – Rotbraun und sibirischDer Name klingt russisch und die Tomate ist es auch. Als Herkunft wird die Stadt Irkutsk angegeben. Da ist kein „möglicherweise von Siedlern nach DaUndDort gebracht“: Kein „wahrscheinlich französischer Ursprung“. Das gefällt mir. Irkutsk liegt im Süden Sibiriens und auf dem gleichen Breitengrad wie Berlin. Die Sommer beider Städte sind bezüglich Temperatur und Regen sehr ähnlich. Von Oktober bis April ist es allerdings in Irkutsk deutlich kälter als in Berlin. Auch die Farbe ist einmal etwas anderes als das Rosé, Rosa oder Pink der anderen Fleischtomaten unter meinen diesjährigen Sommergästen: Granatrot bis braunrot.
Beschreibung:
Meist nur 1,80 Meter hoch.
Dafür viele und kräftige Seitentriebe.
So ist sie geworden:
Eine kräftige und hohe Pflanze. Als erste meiner fünf Fleischtomaten hat sie reife Früchte.
Die Früchte sind so wie beschrieben: Granatrot bis braunrot, flachrund mit dünner Schale.
Fazit: Eine kräftige Pflanze mit frühen und schönen Früchten. Der Geschmack ist allerdings sehr blass. Wenig Aroma aber auch wenig Säure. Nach der ersten Ernte ersetze ich die Pflanzen durch Ruthje.
So war der Sommer der Fleischtomaten
Alle Pflanzen entwickelten sich gut. Allerdings liegen die Beschreibungen und die tatsächlichen Pflanzen oft auseinander. Keine der Pflanzen ist so einzigartig, wie sie beschrieben wird. Es sind halt Tomatenpflanzen. So etwa 180 Zentimeter hoch und mal mehr oder mal weniger Seitentriebe. Marmande ist die kleinste. Tschernij Prinz wäre wahrscheinlich die ertragreichste gewesen – wenn ich sie gelassen hätte.
Für mich wurde deutlich, dass die persönliche Erfahrung mit einer Pflanze viel wichtiger ist, als die Beschreibungen des Verkäufers. Ich habe mich in diesem Jahr auf rote Fleischtomaten beschränkt und selbst in dieser Untergruppe war die Auswahl riesig. Für den normalen Hausgarten ist es entscheidend, was dort mit den eigenen Gegebenheiten aus Standort, Wetter und persönlichem Einsatz möglich ist.
Im nächsten Jahr werde ich aus meiner Auswahl nur Ochsenherz und Rose de Berne anbauen. Außerdem mehr Matina (weil sie sehr früh ist) und reichlich Ruthje, die leckerste und saftigste Sorte, die ich bisher kennengelernt habe.
Ich glaube, ich hatte die Tschorni Prinz auch schon mal, und empfand sie als unreif und unterentwickelt. Ich hab sie nicht gegessen.
Aber das Ochsenherz würde mich auch mal reizen.
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Magst Du dann doch lieber Ochsenherzen statt der bestellten Tschernij Prinzen? Ich habe Dich für nächstes Jahr fest eingeplant. Du musst mir nur noch sagen, wie die Pflanzen zu Dir kommen sollen.
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Toll, Deine Informationen 👍 LGLore
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