Vom Brandywine Creek bis nach Irkutsk (Teil 1) – Fünf Fleischtomaten stellen sich vor

Bisher kenne ich meine Sommergäste ja nur durch ihre eigenen Werbebotschaften von zartschmelzend bis ertragreich. Mittlerweile sind seit der Aussaat meiner Fleischtomaten tatsächlich schon drei Monate vergangen. In dieser Zeit hatten alle fünf die gleichen Bedingungen. Die gleiche Erde, den gleichen Blick aus dem Südwest-Fenster und die gleiche Pflege.

Am letzten Wochenende habe ich sie allesamt in die Gartenfreiheit entlassen. Solange sie dicht an dicht auf dem Balkon standen, waren sie eher eine gemeinsame Gruppe aus grünen Blättern. Nun habe ich sie einzeln, jede für sich in der Hand gehabt und eingepflanzt. Dabei ist deutlich geworden, wie groß die Unterschiede zwischen den Pflanzen bereits sind. Allesamt Fleischtomaten und dennoch sehr verschieden.

Zurück am Schreibtisch hole ich die Liste der Versprechungen hervor und vergleiche meine Sommergäste sowohl untereinander als auch gegenüber den Angaben der Verkäufer bzw. anderer Gartenblogs.

Rose de Berne – Fleischtomate oder roséfarbene Hochstaplerin?
Eine Tomate, so besonders wie eine Rose. Eine Tomaten-Rose aus der verschneiten Schweiz. Welch Wunderding muss das sein. So dachte ich, als ich den Namen zum ersten Mal las. Nach und nach enthüllte sich, dass es nicht um die Blume Rose, sondern um die Farbe Rosa geht. Also eine roséfarbene Tomate.

Tomatenpflanze - Rose de BerneBeschreibung
Besonders breite, riesige Pflanze.
Etwa 1,80 Meter hoch oder auch über 2,50 Meter.
So sieht die Pflanze nach drei Monaten aus
Zierlich. Fast schon kleinwüchsig wie eine Balkontomate. Hellgrüne Blätter.
Entweder Nährstoffmangel oder die Farbe gehört zur Sorte.
So soll sie noch werden:
Eher geringer Ertrag. Anfällig für Blütenendfäule.
Später Erntebeginn.
Dünne Haut. Platzanfällig. Rosarote Früchte.
Hervorragender Geschmack. Zartschmelzend. Das gute Aroma entschädigt.

 

Marmande – Die Retterin der Bauern in der Reblaus-Krise anno 1863
Ich hatte noch gar nicht mit der Planung begonnen, da stand Madame Marmande schon in der Tür. Und bevor ich recht wusste, wie mir geschah, hatte sie schon die Stichworte „freilandtauglich“, „flachrund“ und „berühmte Sorte“ ins Beet geworfen. In allen Quellen wird sie als ertragreich beschrieben. Was die Höhe der Pflanzen angeht schwanken die Angaben zwischen niedrig (1,3 Meter) und normal (2 Meter). Außerdem sei sie sowohl für das Gewächshaus und die geschützte Kultur geeignet. Ich vermute, mit geschützter Kultur wird umschrieben, dass sie anfällig für Braunfäule ist.

Tomatenpflanze - MarmandeBeschreibung
Etwa 1,30 bis 2,00 Meter groß
So sieht die Pflanze nach drei Monaten aus
Zierlich. Fast schon kleinwüchsig wie eine Balkontomate. Hellgrüne Blätter.
Entweder Nährstoffmangel oder die Farbe gehört zur Sorte. Genau wie Rosé de Berne
So soll sie noch werden:
Reicher Ertrag. Flachrunde Früchte.
Anfällig für Blütenendfäule oder auch freilandtauglich.

Ochsenherztomate – Nur echt, wenn sie herzförmig ist
Gerade weil der Name so berühmt ist, sprießen neuerdings die Ochsenherzen aus jedem Saatgutkatalog und selbst den Gemüseauslagen im Supermarkt. Das originale Ochsenherz hat eine sehr weiche Haut, ist also für den Handel völlig ungeeignet. Außerdem ist es wirklich herzförmig und nicht birnenförmig. Letzteres ist der entscheidende Unterschied, zwischen echten Ochsenherztomaten und modernen Nachbildungen à la Ochsenherz-Corazon F1. Ich empfehle die Videos auf der Seite LilaTomate. Dort werden die verschiedenen Sorten sehr gut vorgestellt.

Beschreibung
Bis 2 Meter hoch. Welk wirkende, nach unten hängende und gedrehte Blätter.
So sieht die Pflanze nach drei Monaten aus
Eine kräftige und hohe Pflanze.
So soll sie noch werden:
Früchte rosa bis rot, herzförmig, gerippt und eine dünne, weiche Schale.

Festes Fruchtfleisch. Wenig Saft und Kerne.
Ernte bereits ab Ende Juli. Nach einer Pause im August, eine zweite Ernte.

Brandywine – Eine rote oder pinke Fleischtomate mit nebulöser Herkunft
Die Herkunft ist wahlweise unklar oder schon ab 1885 in Saatgutkatalogen nachgewiesen. Es gibt eine „echte“ Brandywine. Und eine rote. Und eine pinke. Vielleicht sind die Rote und die Pinke identisch. Die „echte Brandywine“ ist rosafarben und kartoffelblättrig. „Brandywine Red“ hat dagegen rote Früchte und normalblättriges Laub. Sobald die Blätter groß genug sind, werde dann wissen, ob ich eine echte Brandywine ausgesät habe. Die Früchte sind bis zu 300 Gramm schwer. ODER Die Tomaten sind so groß wie Hamburgerscheiben. ODER Die Tomaten sind bis zu 700 Gramm schwer.

Beschreibung
Rote und Pinke Brandywine sind zwei verschiedene Pflanzen. Die „echte“ ist pink und kartoffelblättrig.
Zu Höhe und Aussehen sonst keine Angaben.
So sieht die Pflanze nach drei Monaten aus
Eine kräftige und hohe Pflanze.

Kartoffelblättrig.
So soll sie noch werden
Pinkfarbene Früchte.
Zwischen 300 und 700 Gramm schwer.
Ertragreich und widerstandsfähig.

Tschernij Prinz – Rotbraun und sibirisch
Der Name klingt russisch und die Tomate ist es auch. Als Herkunft wird die Stadt Irkutsk angegeben. Da ist kein „möglicherweise von Siedlern nach DaUndDort gebracht“: Kein „wahrscheinlich französischer Ursprung“. Das gefällt mir. Irkutsk liegt im Süden Sibiriens und auf dem gleichen Breitengrad wie Berlin. Die Sommer beider Städte sind bezüglich Temperatur und Regen sehr ähnlich. Von Oktober bis April ist es allerdings in Irkutsk deutlich kälter als in Berlin. Auch die Farbe ist einmal etwas anderes als das Rosé, Rosa oder Pink der anderen Fleischtomaten unter meinen diesjährigen Sommergästen: Granatrot bis braunrot. Ich bin gespannt, wie das im echten Leben aussieht.

Beschreibung
Meist nur 1,80 Meter hoch.

Dafür viele und kräftige Seitentriebe.
So sieht die Pflanze nach drei Monaten aus
Eine kräftige und hohe Pflanze.
So soll sie noch werden:
Granatrote bis braunrote Früchte. Flachrund. Leicht gerippt mit dünner Schale.

Fazit
Alle Sämlinge haben sich gut entwickelt. Allerdings gehen die Beschreibungen und die tatsächlichen Pflanzen weit auseinander:
– Rosé de Berne und Marmande sind bisher eher gakelig.
– Ochsenherz und Tschernij Prinz sind bei gleicher Pflege große und kräftige Pflanzen.
– Brandywine hält sich so im Mittelfeld. Sie ist kartoffelblättrig wie beschrieben und wächst bisher gut.

Für mich wird dabei deutlich, dass die persönliche Erfahrung mit einer Pflanze viel wichtiger ist, als die Beschreibungen des Verkäufers. Die Sorten und Variationen in der Tomatenwelt sind schier endlos. Ich habe mich in diesem Jahr auf rote Fleischtomaten beschränkt und selbst in dieser kleinen Untergruppe war die Auswahl riesig. Für den normalen Hausgarten ist es entscheidend, was dort mit den eigenen Gegebenheiten aus Standort, Wetter und persönlichem Einsatz möglich ist. Ich habe zum Beispiel immer wieder Marktomaten angebaut. Jedes Jahr ist eine andere Sorte misslungen. Seit ich Cocktailtomaten setze, freue ich mich über gute Ernten. In diesem Jahr sammle ich Erfahrungen mit Fleischtomaten. Was werde ich im nächsten Jahr in den Garten setzen?

Glaube nur der Tomate, die Du selbst gepflanzt hast!

 

 


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