1 Dezembergarten 2015: Der „fehlende“ Winter
Zusammen mit meinem Garten haben sich auch meine Notizen dazu im Laufe der Jahre entwickelt. Zum Teil ist ja genau dies der Sinn der Garten-Notizen, dass ich notiere, wie sich der Salat im Frühbeet entwickelt hat, damit ich es im nächsten Jahr entweder genausogut machen oder bewusst verändern kann. Doch mit dem Dezember tue ich mich in diesem Jahr besonders schwer. Es will so gar nicht Winter werden und die Notizen aus den vergangenen Jahren helfen auch nicht weiter. Dass Schnee in den Mittelgebirgen seltener geworden ist, daran habe ich mich gewöhnt, aber dass es so gar nicht kalt und frostig wird, das irritiert mich dann doch. In den letzten Tagen habe ich mich durch viele andere Garten-Blogs gelesen, um zu sehen, wie die anderen mit dem fehlenden Winter umgehen. Der Blog vom Gartenfräulein (http://www.garten-fraeulein.de/) listet ein lange Reihe von anderen Blogs auf. Eine wahre Fundgrube zum Stöbern. Ich habe den Eindruck, dass es für alle Gärtner eine Zeit ist, die sie mit Plätzchenbacken und Adventsdekoration überbrücken.
Mittlerweile frage ich mich jedoch, weshalb ich mich gerade mit dem fehlenden Winter so schwer tue? Der August ist doch auch in manchen Jahren verregnet und im nächsten Jahr ist wieder bitzeblauer Sonnenschein. Offensichtlich ist der Dreiklang aus Winter – Weihnachten – Schnee so tief in meinem Kopf verwurzelt, dass ich davon schwerer lassen kann als von anderen Dingen, die sich ebenfalls ändern.
Wahrscheinlich werde ich mich weiter wundern, dass kein Frost ist aber ich werde mit dem Schutz der frostempfindlichen Pflanzen dann eben so lange warten bis der Frost kommt und es dann diesen Dezember vielleicht gar nicht machen.
Ich nutze die Gelegenheit, um eine große Menge als Restposten erstandene Blumenzwiebeln einzusetzen: In diesem Jahr halte ich mich an einen Vorschlag von Isabelle Van Groeningen von der „Königlichen Gartenakademie“ in Berlin und verteile Tulpen und Narzissen im Staudenbeet. Auf diese Weise kann das Laub der Frühblüher langsam welk werden ohne dass es stört, weil zur gleichen Zeit die Stauden wachsen und alles überdecken. Außerdem Hyazinthen entlang des neuen Obstbeetes und Winterlinge als einzige Zwiebel-Blumen auf der Wiese.
Unabhängig vom ausbleibenden Schnee und Frost, ist es natürlich schon deutlich, dass der Garten sich in seine Winterruhe zurückgezogen hat. Das Staudenbeet sieht braun und welk und leblos aus. Die Vogelmiere ist fast das einzige, das noch gedeiht. Selbst der Giersch ist gelb und kraftlos geworden.
Ich mag das ein Stückweit dem Garten nachmachen und gerne genauso zur Ruhe kommen, persönliche Dinge erledigen, Ordnung in Gedanken und Haus schaffen und neue Kraft sammeln.
2 Mittwinter & Raunächte: Die Zeit dazwischen
Es ist noch gar nicht so spät am Tag, aber es ist schon furchtbar dunkel. Mir wird erst jetzt richtig klar, dass es bald Mittwinter ist. Eine gute Möglichkeit einen Rahmen für das Insichgehen zu schaffen sind die Raunächte von Heiligabend bis zum Dreikönigstag.
Es gibt verschiedene Erklärungen, was die Raunächte genau bedeuten und wie viele es sind. Ganz egal, ob es nun ein christlich, keltisch oder anderer Ursprung ist und sie an Heiligabend oder am 1. Weihnachtstag beginnen, irgendeinen Haken kann man an allen Erklärungen finden. Ich persönlich halte einen nicht-christlich Ursprung für realistisch, aber warum sollen sie dann am christlichen Weihnachtsfest beginnen, das erst viel später entstanden ist? Da erscheint mir als erste Raunacht die Wintersonnenwende viel stimmiger. Aber wie gesagt, unabhängig welche der verschiedenen möglichen Zählungen und Erläuterungen man persönlich für überzeugend hält, es ist eine Zeit, die sich wunderbar als Generalpause anbietet.
Zu Schul- und Kinderzeiten waren bis zum Dreikönigstag Ferien und es war auch irgendwie eine Zeit in der nicht viel los war. „Zwischen den Jahren“ hieß es bei uns zu Hause. In den letzten Jahren sind die Raunächte wieder ein Thema geworden. Oder nehme ich es nur so wahr, weil ich mit dem Garten und den Kreisläufen der Natur beschäftige? Man sieht nur das, was man auch denken kann. Jahrelang wächst Schafgarbe in meinem Rasen. Seit ich mich mit Heilkräutern beschäftige, sehe ich sie. So geht es mir vielleicht auch mit den Raunächten. Auf jeden Fall finde ich die Idee gut, sich eine ganz konkrete Zeit im Jahr frei zu halten, die auf jeden Fall der inneren Einkehr dient und ich mag jeden anregen, darüber nachzudenken und es vielleicht nach zu machen.
Gestaltungsmöglichkeiten gibt es viele. Das typische der Raunächte ist das Räuchern, das vielleicht sogar im Namen steckt. Für den Anfang tut es auch eine Duftlampe, eine Kanne Tee und ein ruhiger Nachmittag. Die passenden Fragen tauchen dann meist von ganz alleine aus der Dämmerung auf: Wo stehe ich gerade in meinem Leben? Wie bin ich dorthin gekommen? Ist das wirklich das Leben, das zu mir passt? Was muss ich ändern, damit ich wieder bei mir selbst ankomme? Wer hat mich dabei unterstützt, das zu erreichen, was ich bis hierher geschafft habe?
Manche dieser Gedanken finde sich in den bunten und lauten Sylvesterfeiern und den schnell wieder vergessenen „guten Vorsätzen“. Das mag ein Überbleibsel aus alter Zeit sein, das sich bis ins schnelle moderne Internet-Zeitalter gehalten hat. Ich merke, dass es mir gut tut, mich aus der Schnelllebigkeit der Welt um mich herum für eine Weile auszuklinken und meinem eigenen Rhythmus nachzuspüren.
3 Januargarten oder Der Winter in den Gartenzeitschriften
Man darf den Winter in den Gartenzeitschriften nicht mit dem Winter im Garten verwechseln. Das gilt eigentlich für das ganze Jahr, aber im Winter wird es am Deutlichsten. In den Gartenmagazinen dominieren zu dieser Zeit immer wieder zwei Themen:
1 Die wunderschönen vertrockneten Stauden, die mit Raureif überzogen sind.
Diese Photos sind wirklich schön – leider, mir sind sie noch nie gelungen. Meist liegt es daran, das es die alten Blütenstände zwar noch da sind, aber mit oder ohne Raureif einfach nur verwelkt und hässlich aussehen. Es mag aber durchaus Gärten und Gärtner geben, wo das gelingt und dann ist es wirklich schön.
Mittlerweile bin ich dazu übergegangen die Stauden bereits im Spätherbst/Frühwinter zurück zu schneiden. Das ist eine gute Arbeit für den November & Dezember-Garten. Je nachdem, wann eine günstige Gelegenheit dafür ist. Im Februar / März, wenn das neue Gartenjahr beginnt ist mit jedem Sonnentag so viel zu tun, dass ich um jede Arbeit froh bin, die bereits erledigt ist. Da ist es praktischer im neuen Gartenjahr das Beet leer zu haben und neu zu beginnen. Das Alte soll im alten Jahr zurück bleiben.
2 Welche Winterarbeiten sind jetzt zu erledigen
Die Autoren schwärmen vom Blättern in Gartenkatalogen, der Pflege der Gartengeräte oder dem Herstellen von selbst geschnitzten Kleiderhaken aus Astgabeln. Ich sehe das mittlerweile ganz anders. Ich habe den Eindruck, dass den Gartenheftautoren einfach nichts einfällt, aber der Herausgeber darauf besteht, dass es auch im Januar ein neues Heft gibt. Das Gärtnern ist ein Leben mit und in der Natur. Bereits im späten Herbst ist deutlich zu spüren, wie die Natur „ausatmet“ und zur Ruhe kommt. Dem sollte sich der Gärtner anschließen. Der Winter ist nicht die Zeit, um der Natur ein Schnippchen zu schlagen um wie Hase und Igel vor dem Frühjahr schon da zu sein und im Februar schon die ersten Blüten an den vorgezogenen Tomaten zu haben. Das ist doch genau das, was die Baumärkte mit vollen Pflanzenregalen zur Unzeit vormachen. Welchen Grund sollte es geben, sich daran zu orientieren? Der Winter ist auch für den Gärtner die Zeit der Ruhe und des Insichgehens nach getaner Arbeit. Ein guter Platz ist ein Sessel am Kaminfeuer.
4 Februargarten: Geduld & Planung
In den ersten Februartagen höre und sehe ich die ersten Kraniche wiederkommen. Kann das sein oder war das eine akustische Täuschung? Dezember und Januar waren extrem mild. Abgesehen von Schneeglöckchen und Winterlingen sind die Beete noch braun und wüst. Im Dezember hatten sich die ersten Blüten der Schlüsselblume hervorgewagt, aber inzwischen sind sie von den wenigen Tagen strengem Frost vertrieben worden.
Nachdem es lange so aussah, als fiele der Winter komplett aus, haben sich jetzt im Februar doch der Frost und gelegentliche Schneeflocken herangeschlichen. Mittlerweile fällt es mir echt schwer, mich durch all die verschiedenen Eindrücke hindurch zu finden:
Für die Kelten ist ab 2. Februar Frühling
Phänologisch ist gerade Erst-Frühling
Kalendarisch ist noch Winter
Ja was denn nun? Gibt es eigentlich neben den keltischen, phänologischen und kalendarischen Jahreszeiten auch „gärtnerische“ Jahreszeiten? Dann würde ich die aktuelle Jahreszeit als die „Verwirrung“ benennen.
Ich habe den Eindruck, dass zur Zeit vor Allem eine besondere Tugend des Gärtners gefragt: Geduld. Das Frühjahr ist noch weit, auch wenn es bei jedem Sonnenstrahl in den Fingern juckt, ob vielleicht nicht doch schon das Frühbeet bepflanzt werden kann. Zur Überbrückung dieser Wartezeit kommt nun der einzige Tipp zum Tragen, den ich mit den Gartenzeitschriften gemeinsam empfehle: Saatgutbestellung!
Wie bereits beschrieben, sehe ich die Planung, was in diesem Jahr wachsen soll eher im Herbst, wenn die Ernte und die Beete noch vor Augen sind. Welches Saatgut ist nötig? Wie viel davon? Welche Sorte genau? Anhand der Erfahrungen des vergangenen Jahres (jetzt macht sich das Notizbuch bezahlt ;-) lässt sich gut herausfinden, was wirklich gebraucht wird.
Jetzt muss die Bestellung nur noch abgeschickt werden. Ich erspare mir mit diesem Vorgehen, bei jedem Einkauf mit großen fragenden Augen an den riesigen, bunten und verführerischen Saatguttütchenregalen zu stehen und zu überlegen „Hatte ich schon Postelein?“ oder „Reichen die Vorräte an Mangold wirklich noch?“. Natürlich darf neben aller Planung auch noch Platz sein für spontane Begeisterung für Haferwurz oder Stilmus, auch wenn man keine Ahnung hat wie das wächst und ob man die Ergebnisse dann wirklich essen mag.
Noch ist im Garten nichts zu tun. Auch wenn ich merke, wie ich bereits innerlich beginne mit den Hufen zu scharren. Für heute also noch einmal Teetrinken und Abwarten. Bald genug wird es losgehen mit der Gartenarbeit…