
Ein stiller und leichter Morgen. Ich koche eine erste Kanne Tee und lese das Permakulturbuch von Sigrid Drage. Mit jedem Schluck Tee, mit jedem Absatz Lesen erscheinen neue Ideen aus dem Nirgendwo. Wo waren die die ganze Zeit? Gibt es einen Ort an dem Ideen Winterschlaf halten? Nun stehen sie hier Schlange und ich komme kaum hinterher, sie wenigstens zu notieren: Erdbeeren umpflanzen, Rhabarber mit Kompost versorgen, Regentonnen besser anschließen, Spinat aussäen. An solchen Tagen bin ich jetzt schon gespannt, was von all diesen Ideen, ich am Abend umgesetzt habe. Meist kommen im Laufe des Tages weitere hinzu…
Meine erste Begegnung mit der Permakultur war der Film Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen. Doch so logisch und nachvollziehbar die Permakultur in „Tomorrow“ auch ist – wie geht das im täglichen Leben? Bei der Suche nach konkreten Erläuterungen der Permakultur bin ich auf Sigrid Drages Buch gestoßen.
„Permakultur: Dein Garten – Deine Revolution“ ist wohltuend anders als klassische Gartenbücher. Es ist auf vielfältige Weise kleinteilig. Immer wieder werden neue Aspekte vorgestellt. Nicht 5 bis 8 Hauptkapitel, sondern 24 Einzelabschnitte, die fließend ineinander übergehen. Dabei kommt Sigrid Drage immer wieder auf die Kernaussage der Permakultur zurück:
Für die Erde sorgen – Für den Menschen sorgen – Überschüsse gerecht teilen
So einfach kann es sein.
Ich erlebe „Permakultur: Dein Garten – Deine Revolution“ als Arbeitsbuch, in das ich beim Lesen zahlreiche eigene Notizen mache. Besser noch ein Notizbuch anfangen und all die Zusammenhänge, die plötzlich klar werden, in eigene Worte fassen. Ich habe mir zum Beispiel noch nie Gedanken gemacht, wie viel verlorene Arbeits- und Lebenszeit in all unseren Müllhalden steckt. Dinge werden mit einem Aufwand an Material und Lebenszeit produziert und sind nach kurzer Zeit nutzlos. Im Gegensatz dazu kommt ein Wald völlig ohne Müll aus. Alles, was übrig ist, kann noch jemand gebrauchen.
Vielleicht lässt es sich am ehesten als ArbeitsBilderBuch beschreiben. Es ist sehr gehaltvoll und anspruchsvoll, aber dabei so schön bebildert, dass ich mich auf jede neue Seite freue. Dabei ist es ein beständiger Perspektivenwechsel vom großen Ganzen zu den Details vor der eigenen Haustür. Natürlich ist es Unsinn, dass unsere Lebensmittel möglichst weit weg und möglichst billig produziert werden. Gleichzeitig kann nicht jeder gerade mal so eben einen Hektar Land durch Permakultur erblühen lassen. (1 Hektar = 100 × 100 Meter = 10.000 qm).
So einfach die Kernaussage der Permakultur also ist, die Umsetzung ist echt eine Wissenschaft. Da geht es nicht darum, gerade mal so eben ein paar Wildkräuter anzusiedeln oder eine zweite Wassertonne anzuschließen. Ich bin an der normalen Fruchtfolge schon gescheitert. Wie soll ich dann erst mit einem Permakultur-Garten zurechtkommen?
„Permakultur ist keine besondere Art zu gärtnern, sondern ein Gestaltungsprinzip, das auf einem fairen und achtsamen Umgang mit allen Lebewesen und Lebensräumen unseres Planeten basiert“(Sigrid Drage)
Daher ist das Buch auch keine jahreszeitliche ToDo-Liste, die sich abarbeiten lässt, damit man am Ende des Jahres das Schild Permakulturgarten aufhängen kann. Sigrid Drage macht deutlich, dass der Garten etwas anderes ist als ein Stück Land, das ich in Reihen forme und den verschiedenen Saatgutpäckchen zuordne. Garten ist ein Miteinander. Er ist ein Geflecht von Beziehungen zwischen den Pflanzen, den vielen für mich unsichtbaren Kleinstlebewesen und mir. Ja und selbst die Elemente wie Wasser und Wind sind Teil des Miteinanders.
Hm, wenn das so ist, dann kann es vielleicht doch etwas werden mit der Permakultur. Ich werde weiterlesen und Stück für Stück das Gelernte im eigenen Garten ausprobieren. Ich bin gespannt, wohin die Permakultur mich führen wird…
Oh, was für eine schöne Hommage an das Buch und die Permakultur hast du da geschrieben! Da bin ich doch sofort neugierig auf das Buch geworden!
Wenn man sich mal bewusst macht, wieviel Zeit wir mit Arbeit verbringen, um Geld zu verdienen, mit dem wir dann Dinge kaufen, die wir entweder deutlich günstiger haben könnten, oder die wir eigentlich gar nicht brauchen, die v. a. kompensieren, dass wir so wenig Freizeit haben, für deren Nutzung wir aber wiederum keine Zeit haben, weil wir so viel arbeiten, um Geld zu verdienen, um diese Dinge zu kaufen… Ja, da geb ich dir recht, das ist echt crass!
Nachbarn haben sich letzten Sommer einen Swimmingpool gebaut. Für das Geld könnten sie sich über 180 Jahre lang eine Familienjahreskarte für´s Schwimmbad kaufen. Ein Freund von uns hat an die 8 Bikes im Keller stehen, aber keine Zeit, sie zu fahren. Wie viele Menschen kennt man, die 3 oder 4 oder noch mehr Grills zu Hause stehen haben?
Wenn wir weniger konsumieren, brauchen wir weniger Geld, können wir weniger arbeiten, haben mehr Zeit für Familie, Freunde, auf uns zu achten (Stichwort Gesundheit) und innezuhalten und uns endlich mal darum zu kümmern, dass wir unsere Heimat, unseren Planeten, nicht unwiderbringlich durch Konsum zerstören…
Es ist sehr spannend, das anzusprechen, wenn es sich in Gesprächen mit Freunden oder Kollegen ergibt. Wir sind so auf Geld verdienen und Konsum (und damit auf Wachstum) gepolt, dass wir übersehen, dass es uns das wichtigste nimmt: Lebenszeit und Freude für Schönes und die wirklich wichtigen Dingen.
Mit diesen Gedanken zum Abend, herzliche Grüße!
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Das freut mich, dass Dir Buch und Artikel gefallen. Ja, Sirgid Drage schreibt es auch selbst, dass Permakultur keine neuartige Gartenanleitung ist, sondern – so würde ich es jetzt ausdrücken – ein Lebenskonzept.
Ich habe immer mehr den Eindruck, dass die verschiedenen unkonventionellen Konzepte wie Permakultur oder Bedingungsloses Grundeinkommen in eine ähnliche Richtung führen. Wenn ich durch ein bedingungsloses Grundeinkommen abgesichert bin, kann ich es mir erlauben, auf meinem Gemüsefeld viel mehr von Hand zu bearbeiten, anstatt erst alle Pflanzen und Lebewesen mit „Pflanzenschutzmittel“ (Was für ein absurdes Wort. Das müsste doch eher Umsatzschutzmittel heißen!) totzuspritzen, um danach den Boden mit Kunstdünger wieder aufzupäppeln. Obendrein spare ich das Geld für Gift und Dünger.
Wir haben weder 8 Fahrräder noch 3 Grills, das ist schon einmal ein Anfang! Trotzdem ist vieles noch Theorie und im Zweifel ist oft dann doch der Supermarkt günstiger/einfacher als der Biomarkt oder der eigene Anbau. Im Winter jeden zweiten Tag Kohl zu essen, weil sonst nix mehr wächst – wer weiß, vielleicht müssen wir dahin zurück, damit die Erde bewohnbar bleibt. Auch unsere Region, nicht nur irgendwelche fernen Länder!
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