Mein Frühstücksblick von der Terrasse geht nicht mehr auf den überschwänglich blühenden Holunderbusch vor einer wuchernden Eibenhecke. Stattdessen steht entlang der kleinen Trockenmauer das Johanniskraut in voller Blüte. Eine neue Frühstücksstimmung. So lange ist es gar nicht her, dass der Holunder blühte. Oder doch? Manchmal geht mir der Wandel zu schnell. Bleibt doch noch ein bisschen, ihr weißduftenden Holunderwattebälle. Doch der Holunder ist verblüht, die Hecke ist geschnitten.
Auch an anderer Stelle ist der schnelle Wechsel zwischen „Eben noch“ und „Jetzt schon“ zu entdecken. Aus der Wiese ragen zahlreiche gelbe Blüten auf hohen dürren Stängeln empor. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es Herbst-Löwenzahn oder ein Habichtskraut ist. Die Blüten sind sehr ähnlich, aber die Blätter sprechen für Löwenzahn. Herbst-Löwenzahn, was für ein Name, für eine Pflanze, die im Juni blüht.
Ich lese immer wieder, dass der Garten im Sommer eine Art Generalpause einlegt. Die Aussaat des Frühlings und der erste Blütenrausch sind vorbei. Nun wartet der Garten quasi auf die nächste Erntephase im Spätsommer. Weit gefehlt! Vielleicht muss man im Sommer genauer hinschauen. Vielleicht gibt es nicht mehr jede Woche neue Blüten. Vielleicht. Aber das Leben des Gartens geht weiter.
Das Johanniskraut blüht. Das Mädesüß steht in den Startlöchern und wird nächste Woche nachziehen. Der Spitzwegerich hat sich endlich von der Trockenheit des letzten Sommers erholt. Ein guter Zeitpunkt den Wintervorrat zu ernten. Auch die grünen Tomaten werden täglich größer und die Kartoffeln blühen. Es passiert gerade so viel, dass es gerne etwas langsamer gehen könnte. Wie wäre es, wenn die lange Helligkeit des Mittsommers noch bis Ende Juli bliebe? Das würde doch gut zur aktuellen Hitzewelle passen. Irgendwann im November können dann ja die kürzeren Tage nachgeholt werden.