Ich sitze an einem kleinen, etwas versteckten Platz in Darmstadts Altstadt rund um den Rieger-Platz und schreibe über die schwarzen Johannisbeeren in meinem 200 Kilometer entfernten Garten. Es ist einerseits ein Experiment und andererseits auch „einfach nur“ tägliche Schreiberoutine. Wenn die Einträge meines Blogs so halbwegs zur Jahreszeit passen sollen, dann muss ich – basierend auf meinen Notizen – auch dann weiter schreiben, wenn ich nicht im Garten sein kann. Ich lerne daran, wie sehr sich die romantische Vorstellung vom Schreiben von der alltäglichen Praxis des Schreibers unterscheidet. Um mich herum, an den anderen Tischen der Burger Bar, Studentengespräche und bei jedem neu eintreffenden Gast die Überraschung, dass es sogar Hirsch-Burger gibt.
Mittlerweile habe ich den Artikel über die Johannisbeer-Ernte drei Mal komplett umgestellt und beginne, damit zufrieden zu sein. Ich schreibe bisher direkt im Garten oder im dem Haus dessen Garten es ist. Nun versuche ich das Garten-Erleben vom Worte-Gestalten räumlich zu trennen. Ich merke allerdings, wie sich nach dieser dritten Überarbeitung die Gedanken zum richtigen Erntezeitpunkt der Johannisbeeren so langsam mit den Gesprächsfetzen von den Nebentischen vermischen.
Eine Studentin übersetzt für einen unsichtbaren Zuhörer an ihrem Smartphone die Speisekarte auf Englisch. Zudem frage ich mich, was an dem in der Seitenstraße aufgetürmten Sperrmüll wohl so interessant ist, dass dort immer wieder Passanten lange verweilen aber dann doch nichts mitnehmen. Bevor ich also versehentlich Sperrmüll ernte oder einen Hirsch-Burger mit in die Johannisbeer-Marmelade rühre, lege ich das Notizbuch zur Seite und widme mich meinem Essen. Aber zumindest habe ich jetzt einen Burger-Pass und der Blog-Artikel ist so weit gediehen, dass ich ihn morgen Abend – zurück im Garten – zu Ende schreiben kann.