Goethes Gartenhaus im Park an der Ilm zu Weimar war eine Wohn- und Arbeitsstätte Johann Wolfgang von Goethes. [1]
Mit diesem Satz starte ich zu meiner Garten- und Entdeckungsreise nach Weimar. Auf dieser Reise sehe ich nicht nur einen beeindruckenden Garten und lerne etwas über Mitarbeiterförderung im 18 Jahrhundert. Ich verstehe vor allem, dass Goethe zwar einen Garten, aber gar kein Gartenhaus hatte. Doch der Reihe nach:
1 Das Haus an der Ilm
Das Haus stammt aus dem 16. Jahrhundert und war also schon ungefähr 200 Jahre alt als Johann Wolfgang Goethe es 1776 kennenlernte. [2] Es wurde wahrscheinlich von einem Winzer erbaut und genutzt. Als Goethe nach Weimar kam, war das Haus in einem schlechten Zustand und die Fläche um das Haus herum ein verwilderter Obst- und Gemüsegarten. Den heutigen Park gab es damals noch nicht und so war es einfach ein Haus in der Nähe der Ilm.
Weder der Winzer, noch die Lage an der Ilm machen aus dem renovierungsbedürftigen Haus ein GARTENhaus. Als Goethe dort einzog, war es schlicht und ergreifend sein Wohnhaus. Ja sicher, Goethe hat den Garten neu anlegen lassen, dennoch blieb es für einige Jahre sein Wohnhaus, an dem ein Garten war. Die Bezeichnung als Gartenhaus finde ich daher irreführend. Sie erleichtert allerdings uns heutigen Besuchern die Unterscheidung zwischen dem Wohnhaus in der Stadt (am Frauenplan) und dem Wohnhaus im heutigen Ilmpark. Ein Blick auf den Stadtplan macht überraschenderweise deutlich, dass beide Häuser ungefähr gleich weit vom Flüsschen Ilm entfernt sind. Ich frage mich, seit wann das Haus an der Ilm Gartenhaus genannt wird. Ob es schon so hieß, als Goethe das Haus übernahm. Oder erst später, als es ein zweites Haus am Frauenplan gab.
2 Goethe und Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach
Das Haus ist ab 1776 in Goethes Besitz. Das klingt so neutral, dass man schon ahnen kann, dass die Beschreibung einen Haken hat. Wenn heutzutage eine Firma neue Mitarbeiter anlocken will, wirbt sie mit einem Kindergartenplatz, flexiblen Arbeitszeiten oder vielleicht mit einem Dienstwagen. Herzog Carl August hat seinem zukünftigen Angestellten gleich ein ganzes Haus gekauft.
Im Herzogtum von Sachsen-Weimar-Eisenach durften nur Personen mit Bürgerrechten politische Ämter übernehmen. Um Bürgerrechte zu erlangen, musste man Grundbesitz haben. Damit Herzog Carl August Goethe einstellen konnte, hat er ihm also kurzerhand ein Haus geschenkt und damit den erforderlichen Grundbesitz nachgewiesen. Goethe hat das Haus zwar bezahlt, aber das Geld hat ihm der Herzog in die Hand gedrückt, damit Goethe sich das Haus kaufen konnte und Bürgerrechte bekam.
3 Goethes Garten an der Ilm
Vom Park an der Ilm aus leuchtet Goethes Gartenhaus dem Besucher schon von Weitem entgegen. Das charakteristische Spaliergerüst kenne ich nur in leer. Sowohl vom eigenen Anblick als auch von verschiedenen Bildern. Goethe selbst hat das Spalier allerdings tatsächlich genutzt. Beim Näherkommen fällt eine lange Blumenrabatte ins Auge. Sie schmückt den parallel zum Ilmpark verlaufenden Hauptweg in Goethes Garten.
Von der Ilm aus rechts am Gartenhaus vorbei führt eine Treppe den Hang hinauf. Ich beschließe zuerst den Hang hinauf, bis ans Ende der Treppe zu gehen und dann quasi rückwärts wieder Stück für Stück dem Haus näher zu kommen. Je weiter ich der Treppe folge, desto stiller und verwunschener wird der Garten. Hier findet sich eine Arbeitsfläche mit Jungpflanzen und sogar, ganz am Ende der Treppe, zwei weitere kleine Häuschen. Wohnte hier etwa Goethes Gärtner? Dann wäre diese Hütte, das wahre Gartenhaus!
Der erste Anblick von der Ilm aus kommt mir jetzt vor wie eine bewusst aufgestellte Fassade für den flüchtigen Besucher. Die prächtige Blumenrabatte gehört zur Gesamtkomposition, aber erst dahinter beginnt der wirkliche Garten. Viel größer als der erste Blick offenbart und mit weiteren sehr bewusst gewählten Elementen.
In den Beschreibungen des Gartens ist von einer Obstwiese die Rede, die hier oben am Hang einmal war. Ich kann nur eine schrecklich ordentliche Reihe mit Apfelbäumen finden. Die Bäume sind noch jung. Egal, ob das nun 5 oder 15 Jahre sein mögen. Es sind auf jeden Fall nicht Goethes Bäume. Bei aller Faszination für die Gärten berühmter Personen wie Virginia Woolf, Hermann Hesse oder eben Goethe. Der Garten, den ich sehe, kann immer nur der Versuch sein, etwas Ähnliches zu erschaffen, wie den originalen Garten.
Ich laufe nun bergab und nähere mich wieder dem Haus. An einem der Sitzplätze verweile ich etwas. Ich mag den Garten genießen, so lange ich hier bin und nicht erst zu Hause anhand der Fotos sehnsüchtig denken „ach wäre ich doch noch etwas länger dortgeblieben!“. Von der Bank auf der ich sitze geht der Blick schnurgerade und im rechten Winkel zum Hauptweg durch eine der beiden weißen Pforten. Dazwischen liegen ein weiterer Sitzplatz und ein Wegkreuz. Das ist wirklich eine Leistung, den Garten so natürlich aussehen zu lassen und doch jedes Element bewusst zu komponieren.
Welche Art von Gärtner war Goethe wohl? Wie viel Zeit blieb ihm neben dem Schreiben, seinen Reisen und den politischen Aufgaben für den Herzog, um sich selbst um den Garten zu kümmern? Justin Müll schreibt in seinem Artikel in der FAZ [3], dass Goethe nicht nur die Gartenpflanzen und Gemüsesorten auswählte, sondern selbst Steine schleppte. Auch die gestalterische Planung des Gartens habe Goethe übernommen, um Wege und den Garten insgesamt nach seinen Vorstellungen anzulegen.
4 Der Stein des guten Glücks
Der gerade Weg vom Hauseingang zum Rondell mit dem Stein des guten Glücks erhielt den Namen Malvenallee. Goethe liebte diese Blumen. Im August 1831 vermerkte er den besonders üppigen Flor der Stockrosen ausdrücklich in seinem Tagebuch. [4] Heute wachsen leider kaum noch Stockrosen oder andere Malven in der Blumenrabatte. Die Zusammenstellung der Blumen ist vielfältig und beeindruckend. Ich erkenne auf Anhieb Indianernessel, Salbei, Stockrose, Astern, Skabiose, Phlox, Ringelblume, Rainfarn. Und dann sind da noch viele weitere Blüten, die ich nicht kenne. Es wirkt auf mich sehr lehrbuchhaft und auch ein bisschen zu beeindruckend.
Bei einem so detailliert geplanten Garten führt der zentrale Weg nicht einfach irgendwo hin, sondern an einen besonderen Punkt. Und richtig: 1777 fand ein außergewöhnliches Monument im Garten Aufstellung: Der von Goethe und seinem Zeichenlehrer Adam Friedrich Oeser entworfene „Stein des guten Glücks“, eines der ersten nicht-figürlichen Denkmäler in Deutschland. [5]
In der Literatur zur Goethe gibt es sicherlich genaue Deutungen, was Kugel und Würfel in Goethes Garten zu bedeuten haben. Ich stehe hier ganz bewusst als Laie und spüre den Gedanken zu dieser Skulptur nach. Wie würde ich das Glück darstellen? Ich finde es schon schwer genug Glück zu definieren oder überhauptnur zu beschreiben. Aber dann auch noch darstellen. Ich verbinde mit glücklichen Momenten oft den Aufenthalt in der Natur. Im Wind auf der Fähre zu den Lofoten zu stehen während die gezackten Berge immer näherkommen. Bei einer ersten Tasse Tee auf dem Campingplatz die Morgensonne auf den Häusern des Städtchens Stromness zu sehen. Oder einfach nur der Blick von der nahegelegenen Wasserkuppe über die Landschaft. Für mich ist es die Kombination aus einem festen Stand, einer guten Erdung aber gleichzeitig im Kopf die Freiheit für Neues zu haben. Als Skulptur hätte ich vielleicht den schwungvollen Bogen der Rhönlandschaft gewählt. An Goethes Kugel gefällt mir, dass sie die Interpretationen offen lässt und keine Vorgabe macht, was Glück zu sein hat.
5 Schreiber-Gärten
Seit meiner Schulzeit weiß ich, dass Goethe ein bedeutender Dichter war. Gelesen habe ich dennoch fast nichts von ihm. Zu Schulzeiten gar nichts. Später nur sehr weniges. Vielleicht ist das Podest, auf dem Goethe steht so hoch, dass normale Leser sich gar nicht erst traut, sich dem Dichterfürsten zu nähern.
Durch mein eigenes Schreiben sind mir nach und nach andere Autoren oder zumindest deren Worte begegnet. Autoren, die auch einen Garten haben: Beatrix Potter, William Wordsworth, Hermann Hesse, Virginia Woolf und jetzt auch Goethe. Ich frage mich, ob es einen Zusammenhang gibt, zwischen dem Schreiben und dem Gärtnern. Deshalb interessiert es mich, wie jene Autoren, deren Garten mir bekannt oder zumindest in Worten zugänglich ist, ihren Garten angelegt haben.
Sicher gibt es viele weitere Autoren mit Garten. Gerade bei den heute aktuellen, weiß ich einfach nichts darüber, ob sie einen Garten haben. Wenn ich es mir wünschen dürfte, würde ich auch gerne den Garten von Brooke Davis (Noch so eine Tatsache über die Welt), Ewald Arenz (Alte Sorten) oder Mariana Leky (Was man von hier aus sehen kann) besuchen und mich mit ihnen austauschen, was der eigene Garten für ihr Schreiben bedeutet.
PS: Goethe hat heute Geburtstag. Er wäre am 28. August 2019 270 geworden.
[1] www.wikipedia.org/Goethes_Gartenhaus (Stand 2. August 2019)
[2] Ohne „von“. Als Goethe in das Haus an der Ilm zog, hatte er noch keinen Adelstitel. Den bekam er erst 1782.
[3] www.faz.net/jugend-schreibt/Goethe-als-Gärtner
[4] Faltblatt „Goethes Gartenhaus“. Text Margarete Oppel, Dorothee Ahrendt, Klassik Stiftung Weimer 2015.
Hallo Uhle!
Danke für die schöne Erinnerung an meine 80er! Damals bin ich täglich mit „olle Goethes“ Hinterlassenschaften in Berührung gekommen.
Über den Frauenplan bin ich täglich zur Uni geradelt und im Park an der Ilm, der direkt an das Unigelände grenzt, haben wir unsere Vermessungsübungen gemacht. Und wenn wir manchmal ;-) nachts vom Kasseturm kamen, haben uns Schiller und Goethe den Weg nach Hause gezeigt.
Warst du auch am Kirms-Krackow-Haus? Der hat auch einen sehr schönen Garten.
Liebe Grüße, miteigenenhaenden
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Liebe Sibylle, es freut mich, dass ich eine willkommene Erinnerung heraufbeschwören konnte :-)
Kirms-Krackow-Haus? Davon habe ich noch nie gehört! Habe es gleich gegoogelt und es sieht wirklich beeindruckend aus. Vielen Dank für den Tipp! Durch den Beitrag über das Gartenhaus habe ich auch viel über den Park an der Ilm erfahren. Das war mir vorher auch nicht klar. Ich glaube, da gibt es noch viel zu entdecken.
Viele Grüße, Uhle
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