„Gut, dass der Garten so kompromissbereit ist. Dass er mir die Fehler verzeiht, die ich selbst als Fortgeschrittener weiterhin mache.“ Ich reche erst jetzt das letzte Herbstlaub zusammen. Sobald ich in den Garten schaue und dort noch das Laub liegt, leuchten in meinem Kopf die Warnlampen „Achtung Vermoosung!“. So geht das nun seit Wochen.
Na und? Warum ist Vermoosung eigentlich schlecht? Moos wächst langsamer als der Rasen und es federt angenehm beim Darüberlaufen. Es fehlt nicht viel und ich verteile das endlich zusammengerechte Laub wieder auf der Wiese, damit das Moos besser wachsen kann.
Strich, Strich, Strich. Mit jedem Strich des Rasenbesens (vielleicht ist es auch ein Laubrechen oder eine Laubharke) kommen die unter dem Laub versteckten Pflanzen ans Licht. Da ein paar Schneeglöckchen, die ich bisher übersehen hatte. Dort schauen die ersten Zentimeter der Osterglocken hervor. Die Frühlingsboten warten selbst auf die ersten warmen Tage, damit sie endlich den Frühling verkünden können. Heimlich hoffe ich darauf, die ersten Duftveilchen zu entdecken. Das Moos auf der Wiese wird tatsächlich mehr.
Strich, Strich, Strich. Aber wie ist das nun mit dem freundlichen Garten, der meine Fehler verzeiht? „Den Garten“ als Ganzes gibt es nicht. Wir Menschen mögen Grenzen ziehen, Grenzen brauchen. Dem Giersch ist es egal, auf welcher Seite der Hecke er sein Unwesen treibt. Ein Satz wie „der Garten verzeiht meine Fehler“ setzt voraus, dass der Garten eine Gemeinschaft von Wesen ist, die sich gemeinsam beratschlagen, ob sie meine Fehler akzeptieren oder nicht.
Tulpe: Mir ist das Staudenbeet eindeutig zu staunass. Wenn da nicht bald eine Drainage verlegt wird, ziehe ich aus.
Lerchensporn: Die Fläche unter der Hecke ist wunderbar luftig. Hier wäre doch Platz für Dich liebe Tulpe.
Magnolie: Wir müssen noch einmal über die Verteilung des Stimmrechts reden. Wenn weiterhin jeder Stängel eine Stimme hat, kann uns der Giersch in diesem Jahr alle überstimmen. Der Uhle rodet zwar ab und an, aber die Gierschinvasion wir kommen!
Scharbockskraut: Dann aber schnell mit der Stimmrechtsreform, noch ist der Giersch in den Winterferien.
Küchenschelle: Gibt es denn weitere Anträge auf Wegzug oder Einbürgerung? Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Meine frischen Knospenpuschel brauchen noch ein paar Sonnenstrahlen.
Wahrscheinlich ist hier viel mehr Kommen und Gehen, als ich es mir denken kann. Manche Pflanze findet in meinem Garten nicht mehr die richtigen Bedingungen. Andere Pflanzen haben ein gutes Leben und vermehren sich kräftig. Für mich ist es ersteinmal alles Grün und viele der Veränderungen sehe ich gar nicht oder erst spät. Die Pfingstrose zum Beispiel, die ist verloren gegangen. Die Küchenschellen sind jedes Jahr wieder eine Freude. Und seit ich weiß, was Scharbockskraut ist, beobachte ich, wie es jedes Jahr mehr Fläche erobert. Vielleicht gibt es etwas, das ich gar nicht kannte und das nun dem Scharbockskraut weicht. Nicht alles kommt und geht von alleine. Ich rede da schon ein Wort mit. Den Blühstreifen, werde ich in diesem Jahr erneut versuchen. Auch Storchenschnäbel gibt es erst seit meiner Ankunft.
Ist der Garten also gar nicht so kompromissbereit, „verzeihungsbereit“ wie ich es ihm unterstelle? Ganz gewiss nicht! Allein schon weil die Frage nach Kompromiss und Verzeihen viel zu menschlich ist. Der Garten grünt und blüht. Und nicht jede Pflanze geht gleich ein, weil mal ein Herbstblatt zu spät entfernt wird. Andere gehen mit und ohne Herbstlaub ein oder werden von anderen Pflanzen überwuchert.
Als Gärtner bin ich Teil dieses Wechselspieles aus Werden und Vergehen. Ich unterstütze einige wenige Pflanzen, so gut ich es vermag, und freue mich an den vielen, die auch ohne meine Hilfe gedeihen. Tagtäglich kann ich jetzt im Frühjahr sehen, wie Neues wächst. Wie von Zauberhand sind jeden Morgen neue Blüten auf der Wiese verteilt. Ich stehe staunend daneben und trage meinen kleinen Teil zu diesem Wunderwerk bei.
Hallo Uhle!
Bei mir liegt an manchen Stellen bewusst noch Laub. Von der Wiese ist es runter, aber unter den Himbeeren und Brombeeren lasse ich es bewusst noch etwas liegen. Das unterdrückt Unkraut und hält den Boden feucht.
Ich weiß nicht, ob mein Garten Fehler verzeiht. Meine Pflanzen sind ein wenig wie ich: Wir brauchen unsere Freiheit ;-) , daher kommen auch nur Pflanzen in den Garten, die robust sind (es zumindest versprechen). Mit Mimöschen habe ich es aufgegeben. ;-)
Liebe Grüße, Sibylle von miteigenenhaenden.wordpress.com
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Köstlich geschrieben! In diesem Sonne einen schönen Sonntag!
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