Bereits 2014 erschienen, doch von mir bisher übersehen. Vielen Dank an den Deutschlandfunk für seine beharrliche Berichterstattung zu diesem Autor. Dieser wird es mir als Gärtner hoffentlich verzeihen, dass ich nicht den aktuell erschienen Band „Die Live Butterfly Show“ wähle, sondern zu den Regentonnenvariationen greife.
Trotz des Titels ist das Buch keine Sammlung von Gartengedichten. Es ist eine bunte Mischung von „Elch“ über „Tennisbälle“ bis zum „Selbstporträt mit Bienenschwarm“. Also immer wieder einmal Natur und dann eben auch Regentonnen.
1
Ich beginne mit den Texten, die einen Bezug zum Garten haben. Bei den titelgebenden Regentonnen muss ich aufgeben. Es sei denn in der Regentonne des Autors wohnt eine Amsel. Wer weiß. Vielleicht. Aber die Melde erkenne ich wieder. Und erst recht den gierigen Giersch, der immer wieder zurückkehrt.
2
Es ist seit langer Zeit wieder einmal der Versuch Lyrik zu verstehen. Ja, eben nicht nur die Worte zu lesen, sondern zu verstehen, was der Autor damit sagen will. Wenn ich zum Beispiel nach dem Vortrag von „Schaf – Hahn – Ente“ (nicht aus diesem Band, aber auch von Jan Wagner) das, was ich gehört und verstanden habe, mit dem vergleiche, was der Autor selbst dazu sagt, wird mir klar, dass ich Vieles nicht entdeckt habe. Diese Gedanke schwingt beim Lesen für mich oft mit: Sicher hat der Autor in diesen Text noch mehr hineingepackt – nur ich kann es nicht sehen, nicht entschlüsseln. Was mache ich mit einem Gedicht, von dem ich nur einige wenige Teile enträtseln kann? Ist das wie ein Roman, von dem ich nur jede zweite oder dritte Seite lese? Was meint ein Autor mit einem Text, von dem er zumindest ahnen kann, dass der Leser ihn nicht versteht?
3
Ich lese in der Literaturkritik, dass Jan Wagner virtuos mit Sonetten spielt oder an anderer Stelle eines seiner Gedichte aus einem ganzen Dutzend Haikus aufbaut. Wer weiß so etwas? Mich packt bei solchen Anmerkungen der Ärger! Ja, ich verstecke auch hin und wieder ein Zitat in meinen Texten. Das ist ein Spiel zwischen mir und den zwei oder drei Menschen, die dieses Zitat erkennen. Für jeden anderen Leser ist der Text auch ohne dieses Rätsel verständlich. Muss ich erst ein Germanistik-Studium absolvieren, bevor ich einen Band Lyrik nicht nur kaufe, sondern zusätzlich auch noch verstehe?
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Bei „Tümmler“ habe ich plötzlich den Eindruck, es geht gar nicht um den Inhalt der Worte. Worte und Silben sind wie Mosaiksteine, die ein Bild malen. Ich sehe, von schräg oben und aus halber Entfernung ein Boot in einem Fjord. Darin begeisternd fotografierende Touristen. Davor die Tümmler aus der Überschrift. Im Text kommen sie gar nicht vor. Aber in dem Bild, dem Silbenmosaik, da sehe ich sie.
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Vielleicht ist, wie ein Rezensent bei amazon schreibt, das Lesen solcher Gedichte eine Reise. Eine Reise bei der ich auf der einen Etappe einen Tümmler im Silbenmosaik entdecke und auf der nächsten nur über Abraumhaldenwörter stolpere. Pflaumenbaum, Zenmeister, Wolken, Unterwelt, Orgelpfeife, Amselgesang. Der Winter ist noch lang. Ich werde noch ein paar Reiseetappen in Jan Wagners Wörterlabyrinth verbringen. Und doch, eine Übersetzungshilfe, eine Art Anmerkung zum Verständnis, wie sie in einem Sachbuch selbstverständlich ist, so etwa würde ich mir auch hier wünschen. Vielleicht hat Jan Wagner beeindruckende Gedanken und Bilder in seine Texte verwoben. Mir als Leser bleibt das Meiste davon verborgen.