Vor vielen Jahren habe ich in einem Vortrag von Wolfgang Kersting (1993 bis 2011 Professor für Philosophie an der Christian-Albrechts-Universität in Kiel) zum ersten Mal den Begriff Möglichkeitsräume gehört und war sofort begeistert. *
Mir fällt bei dem Stichwort Möglichkeitsraum ein Zitat von Friedrich Dürrenmatt ein: (…) die Wirklichkeit kennen wir ja nun, aber das Mögliche kennen wir kaum. Was begreiflich ist. Das Mögliche ist beinahe unendlich, das Wirkliche ist streng begrenzt, weil doch nur eine von allen Möglichkeiten zur Wirklichkeit werden kann. Das Wirkliche ist nur ein Sonderfall des Möglichen. Der Ausschnitt stammt aus einem von Dürrenmatts Kriminalromanen (Justiz) und nicht aus einer theoretischen Abhandlung. Ich bin immer wieder beeindruckt, wie Dürrenmatt das hinbekommt, so zu schreiben und der Leser hält zum Schluss einen spannenden Krimi in der Hand!
Die Möglichkeiten sind also beinahe unendlich, welch großartige Feststellung! In meinem eigenen Alltag und auch im Gespräch mit Freunden und Kollegen stelle ich immer wieder fest, dass neuen Ideen sehr schnell ein „Aber das geht doch nicht“ entgegengesetzt wird. Warum geben wir so schnell klein bei? Wenn eine der Möglichkeiten zur Wirklichkeit werden soll, dann muss diese doch erst einmal gedacht werden und vorhanden sein. Und wenn ich wirklich alle Möglichkeiten zusammengesammelt habe, dann (erst dann!) kann ich anfangen zu überlegen, welche es denn sein soll und auch, ob es nicht vielleicht doch einen Weg gibt sie umzusetzen.
Wenn zum Beispiel ein kleiner Junge gefragt wird, welche Schokolade oder eine andere Süßigkeit er sich für seinen Euro Taschengeld kaufen möchte, dann entscheidet er sich vielleicht zwischen Vollmilch und Trauben-Nuss, weil das die beiden Sorten sind, die er kennt.
Ich stelle mir nun ganz real einen echten Raum voller Möglichkeiten, also Schokolade und aller erdenklichen Süßigkeiten vor. Vielleicht entscheidet er sich nun für Zartbitter oder für Speckmäuse oder für Gummibären oder für irgendeine andere der zahllosen Möglichkeiten. Ja, sicher, er kann auch weiterhin nur eine der Möglichkeiten wählen, aber es ist plötzlich ein ganzes Füllhorn zur Auswahl und nicht nur das, was es schon immer gab. Der Coach und Buchautor Veit Lindau beschreibt diesen Ansatz als „Think Big“: Denke groß und ohne Einschränkungen und lass‘ Dich davon überraschen, wie viel mehr Du erreichen kannst, als Du selbst je dachtest.
Also: Was ist das Verrückteste, Größte, Tollste, das Sie sich für 2018 vorstellen können? Ein ganzes Jahr voller Möglichkeiten liegt vor uns!
* Zum Schreiben dieses Beitrags habe ich den Begriff nun gegoogelt und dabei festgestellt, dass er in den unterschiedlichsten Zusammenhängen verwendet wird. Ich möchte an dieser Stelle bei einem ganz laienhaften Verständnis bleiben. Laienhaft zumindest was die moderne Philosophie, die Theaterwissenschaft und die Stadtplanung angeht.
Du schreibst: „Denke groß“.
Dazu hab ich einen Tip:
Mach Dir eine ganz besonderes Marmeladenmus, Eines, das Du schon immer mal machen und probieren wolltest. Das Glas stellst Du auf den Frühstückstisch, darfst aber nicht davon probieren. Diese(s) Mus(e) befreit die noch schlummernden großen Gedanken.
Gegenspieler des großen Gedanken könnte vielleicht die fruchtbare Erde sein (homo hortulanus)
Die Bereitschaft zum großen Denken benötigt die Fruchtbarkeit des kleinen Gehirns. Die ungerichteten vorurteilsfreien Antennen für die Wirklichkeit entfalten die Realität. Die Bereitschaft zur Inspiration und der Müßiggang geht den großen Gedanken voraus.
Lehr-Beispiel :)
Es werden dilettantische, menschlich laienhafte Möglichkitsräume täglich beim Frühstück neu aufgespannt. Die Frage nach dem großen Tagesgedanken stellt sich nur, wenn eine neue Marmelade auf dem Tisch steht, etwas was mich inspirieren kann.
Losung:)
Carpe diem, uti propagationem
(Pflücke den Tag, Nutze den Brotaufstrich)
Gedicht ( ̄~ ̄)
Tägliches Holunder Wunder
Beim Frühstück in der Morgenstund
Verrätst Du Deinen heil’gen Zweck
Erhellst das dunkle Ziel in Deinem Schoße
Nicht Erdbeer- Himbeer-, Aprikose-
Dank ich mit meinem schmalen Mund
Die Ehre sitzt an dem Gedeck
Jenseits vom grünen Klee
Geheimnisvolles Lob der Gunst
Gepriesen sei Holunderbeergelee
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Lieber Jörg, vielen Dank für Deine wortmalerischen Kommentare! Ich schlage dringend vor, dass Du einen eigenen Lyrik-Blog eröffnest. Oder auch einen Blog, der nur aus Kommentaren besteht und der Leser muss die Blog-Artikel dazu im Netz suchen oder gar selbst schreiben?
Und Holundergelee habe ich noch nicht in meinem Sortiment. Holunder pur, war mir immer zu streng. Doch – wer weiß – ob nicht gerade dies das gesuchte Wundergelee vom grünen Klee wäre!
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