Als ich zum ersten Mal an der Landstraße anhielt, um mir diese blauen Blüten anzusehen, die mir täglich entgegenleuchteten, war ich recht enttäuscht statt einer wunderschönen Blume eher ein gakeliges Unkraut zu finden. Aber die Wegwarte leuchtete so beharrlich und so zartblau vom Straßenrand auf mich ein, dass ich einige Zeit später dann doch mit Handgrabegabel und Eimer ausgestattet anhielt, um ein Exemplar in meinen Garten einzuladen. Da Wegwarten Pfahlwurzeln haben und sich damit tief in den fest geschotterten Straßenrand krallen, war das gar nicht so einfach, aber schließlich konnte ich sie doch überreden. Ich hatte noch nie Wegwarten als Pflanze oder Saatgut zu kaufen gesehen, daher blieb nur das Ausgraben einer Pflanze übrig, wenn ich sie im eigenen Garten ansiedeln wollte.
Einmal im Garten angesiedelt, vermehrt sie sich dort ohne Zögern und verbreitet sich eher zu sehr als zu wenig. Wem das Ausbuddeln zu mühsam ist, der kann auch einfach ein paar verblühte Blüten sammeln, trocknen lassen und im Garten verteilen. Da Wegwarten zweijährig sind, dauert es allerdings eine Weile, bis auf diese Weise die blauen Blüten im eigenen Garten leuchten. Die jungen Pflanzen sind leicht mit Löwenzahn zu verwechseln. Besonders im Jahr der Aussaat muss man also gut darauf achten, die jungen Pflänzchen nicht sofort wieder aus zu rupfen. Entweder man wählt im Garten eine Ecke aus, an der bis zur Blüte auch der Löwenzahn stehen bleiben darf oder man sät die Wegwarten in Töpfe. Bei der zweiten Methode kann man sich gleich beim säen schon auf die Kommentare von Freunden und Nachbarn freuen: „Was, Du züchtest jetzt auch noch Unkraut?“. Am besten also gleich ein paar Päckchen Caro-Kaffee bereit halten und an die Lästerer verschenken „Ja, ich züchte Unkraut, aber Du trinkst es ja sogar!“
Am Straßenrand werden Wegwarten so etwa 30 bis 50 Zentimeter hoch. Das liegt jedoch nicht daran, dass die Pflanzen von sich aus klein bleiben, sondern daran, dass die Straßenränder regelmäßig gemäht werden und die Pflanze immer wieder von Neuem anfangen muss zu wachsen. Irgendwo habe ich gelesen, die Wegwarte brauche das Salz des Winterdienstes, um zu wachsen, aber das kann ich nicht bestätigen. Ich streue zumindest kein Salz in meinem Garten. Ich glaube eher, Wegwarten sind so anpassungsfähig, dass sie trotz Wintersalz und Autoabgasen am Straßenrand gedeihen können. Das schließe ich auch daraus, dass Wegwarten mit guter Gartenerde plötzlich bis fast 2 Meter in die Höhe schießen. Ich nutze sie mittlerweile als Sichtschutz vor den Regentonnen.
Ich habe die Wegwarte quasi vom Auto aus kennengelernt und erst im Nachhinein herausgefunden, dass diese wunderschön, in zartem hellblau blühende Pflanze Wegwarte (Cichorium intybus) heißt und der Mythologie nach eine verzauberte Prinzessin ist. Gelegentlich findet sich auch der Hinweis auf die „blaue Blume der Romantik“, wobei ich mittlerweile den Eindruck habe, dass es den Romantikern vor Allem um das damit verknüpfte Bild bzw. der Sehnsucht nach dem Unerreichbaren ging und nicht um ein konkretes Kraut mit botanischem Namen.
Abgesehen vom schönen hellblau der Blüten werden Wegwarten auch als Nutzpflanzen verwendet. Sie sind Bestandteil von Caro-Kaffee. Dort werden sie auf dem Etikett als Zichorie ausgewiesen. Auch der Radicchio-Salat (Cichorium intybus var. Foliosum) ist eine Zuchtform der Wegwarte. Die Wurzeln von Wegwarten enthalten sehr viel Inulin. Was damit konkret gemacht wird, ob man die Wurzeln essen kann oder gar soll habe ich nirgends gefunden. Leider lese ich jedoch immer wieder, dass Inulin für Diabetiker gut ist, weil es dem Insulin ähnlich sei. Daher eine wichtige Anmerkung von mir als Chemiker:
Inulin und Insulin: Zwei völlig verschiedene Substanzen!
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Inulin (Wegwarte) ist ein sogenanntes Poly-Saccharid, also eine Art Zucker. „Zucker“ ist chemisch gesehen ein Sammelbegriff für eine große Gruppe von Substanzen. So ähnlich wie PKW alles vom Smart bis zum Ferrari sein kann. Da Inulin nicht aus Glucose ( = Traubenzucker) besteht, wird es im menschlichen Körper anders verarbeitet und dies kann eine Hilfe sein, wenn man Probleme mit dem Zuckerstoffwechsel (z.B. Diabetes) hat. Der Name Inulin leitet sich vom lateinischen Namen des Alant (Inula helenium, eine gelb blühende Staude) ab. In dessen Wurzel wurde das Inulin zuerst nachgewiesen.
- Insulin ist ein Hormon, das in der Bauchspeicheldrüse produziert wird. Es ist nötig, um Zucker im menschlichen Körper zu verarbeiten. Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse in den sogenannten Langerhans-Inseln erzeugt. Der Name für Insulin leitet sich vom lateinischen Insula für Insel ab. Die Ähnlichkeit des Namens (Inulin und Insulin) bedeutet nicht, dass man das eine durch das andere ersetzen könnte!
Guten Morgen! Ich bin gestern über deinen Blog „gestolpert“ und bin hin und weg… könnte den ganzen Tag lesen. :-)
Wegwarten bezaubern mich auch schon ein paar Jahre und sie einfach auszubuddeln hab ich mir schon öfter überlegt… ich denke, dieses Jahr werde ich das dann auch endlich mal machen! :-)
Die Sage mit der Prinzessin kannte ich, aber dass daraus Caro Kaffee gewonnen wird, finde ich ja wunderbar… ich trinke seit meiner Kindheit Caro Kaffee und es ist jedes Mal ein Genuss.
Hab einen tollen Tag, der hoffentlich nicht so kalt und windig ist wie hier bei uns im schönen Bayern.
Liebe Grüße
Sabine
P.S. Deine Tomaten-Beiträge habe ich mit großem Interesse gelesen und sie haben mich darin bestärkt, meine Pflänzchen dieses Jahr früher rauszubringen… sowohl in Töpfen als auch ins Hochbeet.
Bin sehr gespannt! Und vor allem seeehr ungeduldig, endlich mit Gärtnern anfangen zu dürfen!!! ;-)
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Hallo Sabine! Das freut mich, dass Dir der Blog so gut gefällt :-) Mittlerweile ist eine breite Auswahl entstanden und ich bin beim Zurückblättern manches Mal selbst überrascht, was es alles schon gibt. Ich denke dann „Hoffentlich fällt mir in den nächsten Jahren noch etwas ein“, aber kaum bin ich im Garten, finden sich ganz von alleine neue Ideen.
Für längere Texte habe ich nun mit dem Blog Wildflowers ahead (www.wildflowers-ahead.blog) einen eigenen Platz geschaffen. Noch ist es dort recht leer, aber ich habe da schon ein paar Texte in Arbeit, die im Laufe des Jahres dazukommen.
Viel Spaß beim Lesen, Uhle
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