Was bisher geschah:
Ich hatte noch gar nicht mit der Planung begonnen, da stand Madame Marmande in der Tür. Und bevor ich recht wusste, wie mir geschah, hatte sie schon die Stichworte „freilandtauglich“, „flachrund“ und „berühmte Sorte“ ins Beet geworfen. Als nächstes schwärmte sie von ihren zahlreichen Zöglingen, was wohl mit „ertragreich“ zu übersetzen ist. Die Dame ist eine Fleischtomate und berühmt ist sie tatsächlich. Mit ihrem resoluten Auftreten hat sie den diesjährigen Anbau von Fleischtomaten ausgelöst.
Nach vier Wochen Zwischenaufenthalt auf dem Balkon wollen die Sommergäste nun endlich in den Garten weiterziehen. Sie sagen, sie hätten genug davon, jeden Tag wie Hans Castorp auf dem Balkon zu sitzen. Der Balkon sei auch nicht anders als die Fensterbank. Beides ein Gefängnis. Auf dem Balkon halt mit Freiluft. Sie quengeln täglich lauter. „Freiheit für Tomaten“ und „Wir wollen ins echte Leben!“.
Haben die Tomaten sich von den Anti-Corona-Protesten anstecken lassen? Woher wissen die Tomaten davon? Tauschen Tomaten sich über ein den Menschen unbekanntes Medium untereinander aus? In einer Welt, die angeblich von intergalaktischen Echsenwesen beherrscht wird, ist keine Theorie zu abstrus, um nicht Begeisterung auszulösen.
Die Tomaten sind zwei Mal umgetopft und längst höher als die Schaschlikspieße, die ihnen anfangs Halt geben sollen. In den letzten Tagen fegte der Wind so kräftig über den Balkon, dass mir Angst und Bange um die zerbrechlichen Pflanzen war. Es ist einfach an der Zeit, die Pflanzen ins Freiland und die Tomatenkübel zu setzen. Das klingt zwar etwas nüchtern, aber manchmal sind die Dinge einfach nur so, wie sie auf den ersten Blick aussehen: Die Tomaten sind zu groß für ihre Töpfe und es ist kein Frost mehr zu erwarten. Also raus mit den Kerlen. So einfach kann es sein.
Wie groß die Tomaten sind, das habe ich selbst mit dem Zeitpunkt der Aussaat selbst in der Hand. Das mit dem Frost ist eine andere Sache. Mein Garten ist in Nordhessen in 250 Metern Höhe. Also weder Weinbauklima noch alpine Schneereste. In den letzten Jahren war es durchgehend möglich, die Tomaten schon zwei oder drei Wochen vor den Eisheiligen zu pflanzen.
Die Tomaten sind gut in ihren Kübeln angekommen. In den letzten beiden Nächten gingen die Temperaturen noch einmal auf +1 °C zurück. Einige kleinere Kübel für die Buschtomaten habe ich auf die Terrasse geräumt. Die anderen Pflanzen haben ein Stoffmäntelchen bekommen. Das reicht aus. Nun kann es also endlich losgehen, das wahre Tomatenleben! Und ich freue mich auf die neuen Sorten.