Die Blüten Staudenbeet sind selten geworden. Ein Geburtstagssträußchen für die Schwiegermutter oder einfach nur ein fröhlicher Farbklecks für den eigenen Schreibtisch findet sich immer noch, aber von echter Auswahl kann man nicht mehr sprechen. Das sind die Momente, in denen auch sonst unscheinbare oder gering geschätzte Pflanzen Beachtung finden. Der Pyrenäen-Storchschnabel (Geranium pyrenaicum) ist sicher eine davon. Ganz abgesehen davon, dass ich mir jedes Mal aufs Neue überlegen muss für welche der theoretisch und praktisch möglichen Schreibweisen von Pürenäen, Pyräneen, Pyrreneen, Pyrenäen(!) ich verwende. Vielleicht muss ich da einfach mal hinfahren, damit das Wort so leicht-fingerig wie Kellerwald, Rhön oder Hardangervidda über die Tastatur huscht.
Während des Sommers wuchert Pyrenäen-Storchschnabel eher versteckt unter der Hecke oder auf Feldwegen und macht sich hauptsächlich durch kleine freundliche Blüten bemerkbar. Wenn er allerdings ins Gemüsebeet eingeschleppt wird, zeigt sich wie viel Pflanze außerdem noch an den Blüten hängt. In diesen beiden Punkten (kleine, freundliche Blüten und viel wuchernde Pflanze) ist er dem Stinkenden Storchenschnabel (Ruprechtskraut) sehr ähnlich, auch wenn die Blätter und die Statur der Pflanze völlig verschieden sind. Das erste fröhliche „Hey, da sind ja die gleichen Blüten, wie auf dem Feldweg beim Hundespaziergang!“ macht dann bald einem verwunderten „Wo sind die Mangold-Setzlinge hingekommen“ oder „Waren in diesem Beet nicht die Erdbeeren?“ Platz. Spätestens in diesem Moment stellt sich die ganz grundsätzliche Frage, ob das freundliche Wiesen-und Feldweg-Kraut nicht vielleicht doch ein erstklassiges Un-Kraut ist. Michael Pollan liefert in seinem Buch „Meine zweite Natur: Vom Glück, ein Gärtner zu sein“ eine schon fast wissenschaftliche Analyse der Frage, was denn nun ein Unkraut ist und warum eigentlich.
Im Gegensatz zu manch anderen Pflanzen, halte ich den Pyrenäen-Storchenschnabel für ein eher freundliches Kraut. Er lässt sich leicht entfernen und hat auch sonst keine bösartigen Folgen. In meinem Garten werden immer wieder Pflanzen an Stellen wachsen, an denen sie mich aus irgendeinem Grund stören. An der Katzenklappe muss der Durchgang für die Katzen groß genug sein. Zwischen den Fugen der Platten auf den Gartenwegen soll sich nichts ansiedeln, das den ganzen Weg blockiert. Im Gemüsebeet möchte ich die Salat-Setzlinge wiederfinden. Gleichzeitig werde ich nie einen völlig aufgeräumten Garten haben. An irgendeiner Ecke wildert immer ein Löwenzahn, ein Wegerich, eine Schafgarbe. Selbst Akelei und Stockrose verbreiten sich so großzügig, das ich ihnen Grenzen setzen muss. Es macht also gar kein Unterschied, welches Kraut ich aus den Ritzen der Terrassen-Platten entfernen muss. Zurzeit blüht dort der letzte Kalifornische Mohn für dieses Jahr. Im nächsten Jahr wechselt der sich vielleicht mit dem Pyrenäen-Storchenschnabel ab und wandert selbst an eine andere Stelle im Garten weiter.