
Ein literarisch-philosophisch-wissenschaftliches Gartenbuch auf 350 Seiten: Wow! Im Katalog des Verlags oekom wird das Buch als Sachbuch geführt. Ich bezeichne es eher als Garten-Belletristik. Vielleicht beruht die Einordnung als Sachbuch darauf, dass es den Begriff „Garten-Belletristik“ als Genre-Bezeichnung (noch?) nicht gibt und das Buch trotzdem eine Zuordnung braucht, damit es gefunden werden kann.
Ich bin schon nach den beiden Einleitungskapiteln von insgesamt 50 Seiten begeistert. 50 Seiten alleine Einleitung und Erläuterung, um was es in dem Buch geht. Da traut sich jemand was! Aber Michael Pollan hat es genau richtig gemacht: Bevor das eigentliche Buch anfängt, schildert er ausführlich, wie er zu dem Thema kommt und was für ihn der Begriff Garten ausmacht. Danach weiß ich als Leser, mit wem ich es zu tun habe und was mich erwartet. Ich habe die lange Einleitung als Genuss erlebt. (Ich habe es Michael Pollan wohl unbewusst gleich getan. Eine Rezension zu meinem eigenen Buch bemängelt, dass es „erst auf Seite 35 so richtig anfängt“.)
An manchen Stellen wird Micael Pollan ziemlich wissenschaftlich. Dies muss man wissen, wenn man sich auf das Buch einlässt. Es gibt dann durchaus längere Absätze, die anhand der Besiedlung Amerikas erläutern, wie der Amerikaner an sich zum Thema „Rasen im Vorgarten“ steht. An manchen Stellen war es mir etwas zu lang, aber der Autor findet immer den Weg in seine eigentliche Geschichte zurück und belegt, weshalb er diesen weiten Bogen geschlagen hat.
Besonders gut hat mir das Kapitel zum Thema Unkraut gefallen. Da kann einer sagen, was er will, in jedem Garten finden sich Pflanzen, die dort nicht sein sollen. Bin ich nun ein Willkürherrscher, weil ich entscheide, was in meinem Garten wächst? Ist alles, was man essen kann damit automatisch kein Unkraut mehr? Sind Pflanzen, die wunderschön blühen und sich in Windeseile den ganzen Garten untertan machen trotzdem eine Zierde? Michael Pollan schafft es, bei diesem schwierigen Thema neue Gedanken ins Spiel zu bringen.
An anderer Stelle berichtet er, dass einige seiner Gesprächspartner Weide als Unkraut einordnen, weil sie „im Kamin so gut brennt wie Sellerie“. Das hat mich einigermaßen überrascht und seit ich von dieser Einschätzung gelesen habe, beobachte ich den Stapel Weide, den ich geschenkt bekommen habe zugegebenermaßen etwas argwöhnisch. Das Holz liegt nun seit einem Jahr und es schlägt noch immer neu aus. Es ist einerseits recht leicht, aber dabei unheimlich zäh und noch immer so nass, als sei es gestern geschlagen. Vielleicht also doch ein Unkraut?