Im Spätwinter verging kein Tag ohne „Wir Insektenfreunde schneiden die Stauden erst im April zurück“-Aufruf. Im Februar war das noch ganz nett. Je weiter der Frühling den Garten eroberte, desto anstrengender wurden diese Durchhalteparolen. Ab und an klang auch etwas Anklagendes hindurch: „Wehe Du schneidest jetzt die Stauden zurück, dann bist Du kein aufrichtiger Naturgärtner“. Die bunte Mischung der SocialMedia-Welt gab mit „Jetzt müssen Sie den Rasen düngen!“ natürlich auch ganz gegenteilige Ratschläge.
Ich beobachte in meinem Garten von Jahr zu Jahr mehr Hummeln, Schmetterlinge und anderes Getier. Gleichzeitig sind selbst an den hochgelobten Brennnesseln weder Raupen noch Schmetterlinge zu sehen. Frühblüher von Krokus bis Lungenkraut stehen dagegen hoch im Kurs.
Was also tun? Den Garten im Winter „aufzuräumen“, nur damit es ordentlich ist, halte ich schon immer für Unsinn. Doch wann ist ein guter Zeitpunkt, um die alten Stauden zu entfernen? Welche Insekten brauchen im März noch alte Stängel als Schutz und Nahrung? Ich ringe sehr mit mir, welche Stauden ich zurückschneide und was ich noch stehen lasse. Die Fetthenne treibt längst aus. Wenn ich die vertrockneten Stängel jetzt nicht schneide, verletzte ich beim Rückschnitt die neuen Triebe.
Anfang April habe ich nun endlich alles alte und vertrocknete abgeschnitten. Und siehe da, nicht nur verblühte Schneeglöckchen kommen unter den braunen Farnblättern zum Vorschein, auch die Balkan-Anemonen blühen schon. Wildbienen und Hummeln sind längst unterwegs und freuen sich über jede Blüte.
Im nächsten Winter werde ich für die verschiedenen Bereiche im Garten einzeln entscheiden. Den Farn werde ich schon im Spätherbst abschneiden. Er verdeckt zu viele Frühblüher mit seinem störrischen Laub. Hohe Stauden wie Echinacea oder Rudbeckia bleiben stehen. Sie stören nicht und wer immer mag, kann sich dort niederlassen. Das Laub der Hainbuchenhecke wird wieder reichlich unter die Hecke gefegt: Ein Schutz und Versteck für viele Arten.
Ich merke, dass ein kategorisches Ja-oder-Nein. Nicht funktioniert. Der Garten ist nicht ausschließlich für den Igel. Aber ebensowenig ausschließlich für die Wildbienen oder meine Gemüsebeete. Für ein sinnvolles Miteinander braucht es Kompromisse und kein Basta!



